Lichtkunst


LICHTKUNST

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20100204

1. Wir heben ab!
Über den Schwebezustand einer Gesellschaft



Entwurf für das Vorarlberger Landesmuseum während der Umbauphase. Abheben steht für Erfolg und Expansion.


Die Ähnlichkeit zweier Systeme

Künstlerische und wirtschaftliche Entwicklungen scheinen insbesondere in den letzten Jahren oder auch Jahrzehnten in einem sehr engen Zusammenhang zu stehen. Die Großbanken haben die Realwirtschaft auf Grund gesetzt. Durch Spekulationen haben sie sich selbst den Boden entzogen und sind nach einem Schwebezustand abgestürzt. Entgegen der Ansicht der Marktfundamentalisten hat sich auch in der Wirtschaft zunehmend eine Trennung in eine Real- und Finanzwirtschaft vollzogen. Letztere sollte ursprünglich der Realwirtschaft dienen, hat sich aber zunehmend verselbständigt. Diese Entwicklung läuft parallel zur Mediatisierung unserer Welt.
So wie Kursentwicklungen kaum mehr die Realwirtschaft abbilden können, genauso wenig können unsere Medien die Wirklichkeit wiedergeben. George Soros hat sich die Erkenntnis über den Konstruktcharakter unserer postmodernen Kultur für die Wirtschaft zu Nutze gemacht. So wie wir unsere Medien als grundlegende Entscheidungshilfe für unser Handeln verwenden und auf unsere Wirklichkeit einwirken und sie verändern, so versteht er seine Reflexivitätstheorie in der Wirtschaft. Danach machen wir uns zuerst ein - grundsätzlich immer mangelhaftes - Modell, ein Simulacrum von der Wirklichkeit, das unser Denken über die Wirklichkeit beeinflusst. Darauf folgende Entscheidungen und Handlungen verändern die Wirklichkeit. (1)
„Die Illusion, dass die Märkte letztlich immer recht hätten, entsteht durch deren Fähigkeit, die Fundamentalbedingungen, die sie angeblich nur wiederspiegeln, zu beeinflussen.“(2)
Gewiefte Spekulanten machen sich dagegen keine Illusionen, sondern machen sich mit ihren Hedgefonds die Fehleinschätzung anderer zu Nutze. Die Wetten der Hedgefonds sind Geschäfte, die in erster Linie Erwartungshaltungen zum Gegenstand haben. Die Waren werden nur noch geliehen und sind beliebig austauschbar. Es gibt keinen engen Bezug mehr zwischen Geschäft und Ware. Symptomatisch für diese Wirtschaft sind die sogenannten „Leerverkäufe“. Es ist ein Wirtschaften mit der Wirtschaft. Es entstehen artifizielle und selbstreferentielle Systeme, die wir aus der Kunst der Postmoderne kennen. Auch sie arbeitet in Form von Zitaten, also mit geliehenen Gegenständen und Motiven (von anderen Werken) und verweist nur noch auf sich selbst. Sie schafft damit künstliche Erlebnisorte mit einem hohen Grad an Ästhetisierung. Da sie dadurch antiaufklärerisch wird, bildet sie keinen Gegenpol zur Wirtschaft. Finanzwirtschaft - und gleichermaßen die Kunst - nehmen keinen Bezug mehr auf einen realen Zustand. Als selbstreferentielle Systeme lösen sie sich von der Umwelt und erhalten eine Eigendynamik. An sich sind es geschlossene Systeme. Sie öffnen sich nur, wenn ein Input der Stabilisierung des Systems dient. Beide Systeme heben ab, solange sie können. Zu solchen abgeleiteten Systemen gehören auch Finanzderivate. Deren Nominalvolumen hat sich in den Jahren 2000 bis 2007 im außerbörslichen Handel versechsfacht und macht heute ungefähr das Zehnfache des weltweiten Bruttoinlandsproduktes aus.(3) Dieses Abheben entspricht der heutigen grundlegenden Lebenshaltung, der Euphorie, dem permanenten positiven Denken. Es fehlt die Distanz zum System. Wichtig sind Performanz und Teilnahme.

[1] Nach Thomas Seifert: Das Ende der Finanzmärkte, Die Presse, S 33, 14. 10. 2008
[2] Georges Soros, zitiert von Th. Seifert
[3] Der Spiegel, 29. 9. 2008

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