Lichtkunst


LICHTKUNST

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20100430

3. Wir heben ab!
Über den Schwebezustand einer Gesellschaft

Entwurf für das Vorarlberger Landesmuseum während der Umbauphase. Der "Human Chart" ist eine Umdeutung eines graphischen Zitates aus der Finanzwelt des Jahres 2007 und verweist auf einen Höhenflug.

Manierismus und Leere 

Manieristische Merkmale haben wir heute wie im 16. Jahrhundert. Abheben und Schwebezustände sind nach der Renaissance zu beobachtende Zustände. Brueghel und Tintoretto bringen den Betrachter zum Schweben, El Greco seine Figuren. Bei Pontormos Kreuzabnahme tänzeln die Personen, die den toten Christus tragen, immer noch auf den Zehenspitzen. Ein wesentliches Motiv fehlt: das Kreuz. Neben der Schwerelosigkeit
entsteht auch noch das Gefühl einer Leere, die wir in jeder selbstreferentiellen Kunst erzeugen. Es verwundert deshalb nicht, wenn Robert Klein meint: “Der Manierismus ist eine Kunst der Kunst.“(1) Neben einer gesteigerten Sinnenhaftigkeit ist „für den Manierismus … die Vorliebe für wertvolle Materialien und für das Außergewöhnliche, Bizarre"charakteristisch. "Grotesken und Darstellungen von allerlei ‚grausigem Getier‘zählen zum bevorzugten Beiwerk“(2)  Palissy-Kermiken  und Dinos & Jake Chapman, Bronzino und Jeff Koons, usw. zeigen Parallelen zwischen dem 16. und 21. Jahrhundert. Selbstreferentialität erzeugt auch eine Selbstbespiegelung, die heute ein Thema der Kunst und Medienwirklichkeit ist. Im 16. Jahrhundert ist es die Selbstbeobachtung, die zu vermehrten Selbstportraits und Autobiographien führt.

Im Manierismus werden bedeutungsvolle Szenen zu Nebenschauplätzen. „Das letzte Abendmahl Christi“ von Paolo Veronese wird zum „Gastmahl im Hause Levi“. „Der Sturz des Ikarus“ ist bei Brueghel kaum zu erkennen. Man könnte hier das Verschwinden eines Logozentrismus erkennen, wie er sich in der Postmoderne vollzogen hat. Nach dem Verlust der Seele, dem Verschwinden des Subjektes und somit auch des Autors, existiert der Mensch nur als Unterschied zu seinem nächsten. Präsenz wandelt sich in Differenz. Was bleibt ist nur noch der Körper. Die Body-Art ist vielleicht ein letzter Versuch, sich seiner selbst zu vergewissern oder aber auch das Gegenteil. Sie macht den Körper zum Objekt. Als Objekt eines Systems hat der Mensch seine individuelle Freiheit verloren. Man kann das durchaus genießen, solange man von einem System getragen wird. „Man sucht nicht Befreiung, sondern Erleichterung“, meint Klaus Klaus Leferink über das Postsubjekt.(3) Was dabei aber auf jeden Fall verlorengeht, ist die Distanz zum System. Ohne diese Distanz büßt man einen Großteil seiner Erkenntnisfähigkeit ein. Das könnte dramatische Folgen haben.
Der Manierismus des 16. Jahrhunderts ist eine Kunst einer Krisenzeit. Die Kirchenspaltung bringt die Gesellschaft und das Gold aus Südamerika die europäische Wirtschaft aus dem Gleichgewicht.(4) Möglicherweise ist der Manierismus außerdem die Folge der sog. Europäischen Expansion, einer ersten Globalisierung in der frühen Neuzeit. Wir sehen hier also Parallelen zur Gegenwart.

[1] Klein, Robert, zitiert in: Daniel Arasse: Meine Begegnung mit Leonardo, Raffael und Co., S 115
[2] Das große Kunstlexikon, von P. W. Hartmann: Manierismus.
[3] Leferink, Klaus: Schizophrenie als Modell des Postsubjekts, http://web.fu-berlin.de/postmoderne-psych/berichte2/leferink.htm
[4] Arasse, Daniel: Meine Begegnungen mit Leonardo, Raffael und Co., S 116



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